The Ecoist // All you need is love: Waldraud Zürich. // December 2013
Der Zürcher Concept Store Waldraud hat ein feines Gespür für Trends und Zeitgeist. Mit Herzblut, Leidenschaft und tadellosem Designgeschmack formulieren die drei Macher ein neues Verständnis von Nachhaltigkeit, dem es nicht an Coolness fehlt. Verkauft werden Möbel, Accessoires und Mode – Hauptsache, die Dinge sind besonders.
Ann Islers Grossvater ist im Himmel bestimmt mächtig stolz auf seine Enkeltochter. Sture Borgedahl brachte in den sechziger Jahren eine unbekannte englische Band nach Schweden. Die Leute schüttelten den Kopf und sagten: du spinnst. «Ja, es klingt verrückt», sagt Ann, «aber mein Grossvater hat tatsächlich die Beatles nach Schweden gebracht.» Den richtigen Riecher und ein Händchen für das scheinbar Unmögliche hat Herr Borgedahl seiner Enkelin vererbt. Als European Shopscout für ein Schweizer Lifestyle-Label entwickelte Ann einen feinen Sinn für internationale Trends. Nebenbei spürte sie in der Schweiz Lorenz Isler auf, ihren heutigen Ehemann. Bei einem Apéro im Weinhaus eines Freundes lernten die Islers 2010 den Deutschen Daniel Fay kennen, der im Möbelbereich tätig war. Man kam ins Gespräch und stellte fest: Der Job stimmt nicht mehr. Wir brauchen Veränderung. Lorenz konnte Finanzen und Strategie. Ann Mode und Daniel Möbel. Stellen wir doch einen richtig coolen Concept Store auf die Beine!
Vom Apéro bis zur Unterzeichnung eines Mietvertrags vergingen zwei Monate. «Da hatten wir noch nicht einmal einen Businessplan», lacht Daniel, «Nach zwei Nachtschichten reichten wir dann ein Grobkonzept nach.» Im Herbst 2011 feierte Waldraud Eröffnung an der Josefstrasse, mitten im hippen Zürcher Stadtkreis 5. Der Laden bekam einen eigenartigen Namen: Waldraud. Dazu später mehr.
Anfänglich waren die Kunden gegenüber den bei Waldraud feilgebotenen knallbunten Regen-Parkas, laut zwitschernden Bewegungsmeldern in Gestalt von Vögeln oder den fellbezogenen Sitzsäcken eher skeptisch. Als eines Tages gar eine wackere Schweinefamilie aus feinstem Chesterfield-Sofaleder im Schaufenster auftauchte, drückten sich die Leute aber schon die Nasen platt. Und dann war da natürlich der Name: Die falsch geschriebene Waltraud. «Wir wollten weder unsere eigenen Namen drin haben, noch Begriffe wie Design», erläutert Lorenz, «sondern einen Namen, der sich in den Köpfen einbrennt und Objekte, die fesseln. Waldraud ist etwas, was die Leute nicht vergessen.» Ausserdem war die Domain frei. Das Konzept ging auf. Inzwischen hat Waldraud in Zürich eingeschlagen wie einst die Beatles in Schweden.
Ist das noch Design oder schon Kunst?
Und wie der Sound der Pilzköpfe ist die Welt von Waldraud zugleich einzigartig und doch sehr zugänglich: Betritt man den Laden, wähnt man sich in der etwas überfüllten Wohnung eines leicht skurrilen Sammlers von eklektischem Geschmack, grossem Herzen und einwandfreiem Kleidungsstil. Man möchte sogleich einziehen. Natürlich kann man sämtliche Objekte jederzeit ganz einfach nach hause nehmen. Ausser den dunkelbraunen Labrador-Rüde Lasse, der meist friedlich hinter der Kasse döst.
Das typische Waldraud-Produkt bewegt sich fernab saisonaler Hypes oder Retro-Romantik. Oft ist es multifunktional, in kleiner Stückzahl und unter fairen Bedingungen produziert, dabei stets hochwertig und auf eine coole Art seiner Zeit voraus. Auch gut: Es gibt etwas für jedes Budget. Die aktuelle Fashion-Merkliste für Männer: Common, Brooklyn We Go Hard, Pigalle und der Zürcher Marc Stone. Für Frauen: Comme des Garçons, MM6, Stine Goya, Les Prairies de Paris. Bei vielen Objekten stellt sich ausserdem die Frage: ist das noch Design oder schon Kunst? Das freistehende Lasso von Kai Link und Johannes Hemann, das eigentlich ein Kleiderständer ist, zum Beispiel. Oder die zu Kleiderhaken umfunktionierten Tischfussballmännchen von RS Barcelona. Oder die Diamond Lamp aus buntem Plexiglas des Dänen Lars Anker, ein wahrer Waldraud-Nasenplattdrück-Klassiker. Ein Kunde fand die Leuchte übrigens so toll, dass er sie im WC aufgehängt hat. Now that’s rock’n’roll.
Die Macher von Waldraud treffen den Geschmack ihrer Klientel mit erstaunlicher Zielgenauigkeit. Die logische Konzequenz: Kein Shoppingführer über die Limmatstadt ohne Bericht über den Concept Store. Dank Artikeln in führenden Design- und Lifestyle-Bibeln wie Monocle sind Waldraud auch international ein Begriff. Dabei handelt es sich eigentlich um einen Side-Job. «Es war von Anfang an unser Plan, Waldraud neben unseren regulären Jobs voranzutreiben», beantwortet Daniel die unvermeidliche Frage, ob man davon auch leben könne. Aber: «Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung.» An diesem Setup soll sich vorerst auch nichts ändern. Die breiter abgestützte finanzielle Basis der Waldraud-Macher hat auch seine Vorteile für die Sortimentsvielfalt: Ein Objekt darf auch mal länger den Laden hüten, bis seine grosse Zeit gekommen ist.
Das gute Standing und den internationalen Bekanntheitsgrad wollen die Waldrauds künftig vermehrt für Kooperationen mit Interior Designern, Architekten und Bauherren nutzen: «Wenn jemand ein Hotel mit Waldraud einrichten will, hätten wir nichts dagegen.» Ausserdem kommt der Spassfaktor nicht zu kurz. Die ‘Waldrauds’ schmeissen öfters Partys für Freunde und Kunden. Bei denen fliesst nicht nur der Schampus reichlich, sondern es perlt auch die Erkenntnis: Leidenschaft und Herzblut verkauft sich doch.
All You Need Is Love. Wussten ja schon die Beatles.